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Direkte Demokratie: Warum?
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Die meisten Menschen wollen mehr politisch Mitsprache. Doch, wie in allen Belangen, gibt es auch scharfe Gegner der direkten Demokratie -- besonders unter den Berufspolitikern. Was behaupten sie?

1. Bürger besitzen genau so viel Sachverstand wie Politiker

Das Argument: Die Bürger sind zu dumm, um komplizierte Entscheidungen zu treffen.

Es ist völlig absurd, dass Politiker mehr Sachverstand besitzen sollen als normale Bürger. Im Gegenteil: Berufspolitiker reden zwar über alles, selten sind sie aber selbst Spezialisten. In den meisten Fällen haben sie zu einem Gesetz, das sie machen, gerade die Informationen, die ihnen die (Partei-)Experten in den Ausschüssen vorschlagen. Bei jedem Volksbegehren müssen sich diejenigen, die es einleiten, über die Auswirkungen der von ihnen vorgeschlagenen Änderungen außerordentlich kundig machen und einen möglichst breiten öffentlichen Informations- und Diskussionsprozess darüber einleiten. Da ein Abstimmungsverfahren eine gewisse Zeit (1-2,5 Jahre) dauert und die öffentliche Diskussion nicht wie bei Wahlkämpfen über nichts sagende Parolen, sondern über Inhalte geführt wird, können sich auch alle Wahlberechtigten, die zur Abstimmung gehen, hohe Sachkenntnisse aneignen.

2. Volksbegehren, die zu einer bindenden Abstimmung führen, sind das beste Mittel gegen populistischen Missbrauch.

Das Argument: Direkte Demokratie -- ein Mittel für rechte Volksverhetzer und Populisten

Immer wieder hört man die Befürchtung, direkte Demokratie sei ein Mittel für Volksverhetzter und Populisten. Schon Hitler habe seine verbrecherischen Beschlüsse wie etwa den Einmarsch in Österreich (1938) durch Volksabstimmungen legitimieren lassen. Erstens gibt es in keiner Diktatur Abstimmungen auf Wunsch der Bürger (auch in der NS-Zeit ausgeschlossen). Wenn autoritäre Politiker im Nachhinein bereits gefällte Beschlüsse vom Volk absegnen lassen und dabei manipulieren und Druck ausüben, dann ist das eine diktatorische Pervertierung und hat mit echter Volksgesetzgebung nichts zu tun.

3. Direkte Demokratie soll die repräsentative Demokratie nicht ersetzen, sondern ergänzen und verbessern

Das Argument: Direkte Demokratie zerstört unser System, die repräsentative Demokratie.

Niemand, der sich für mehr direkte Demokratie einsetzt, will die repräsentative Demokratie beschädigen oder durch direkte Demokratie ersetzen. Direktdemokratische Elemente sollen das repräsentative System nur ergänzen. Die Gesetzgebung durch das Parlament bleibt die Regel. Doch wird auch diese durch die Möglichkeit direktdemokratischer Entscheidungen positiv beeinflusst: Wenn das Volk Entscheidungen jederzeit an sich ziehen und selbst treffen kann, werden auch parlamentarische Entscheidungen inhaltlich sehr viel stärker an den Mehrheitswillen der Wähler zurückgebunden.

4. Der Ausbau der direkten Demokratie führt nicht zur Einführung der Todesstrafe

Das Argument: Der Ausbau der direkten Demokratie führt zur Einführung der Todesstrafe.

Das Totschlägerargument Nr. 1 gegen die direkte Demokratie! Es ist vielfach belegt, dass diese Gefahr in der Wirklichkeit nicht besteht. Im folgenden nur einige Erwägungen dazu:

  • Alle verfügbaren internationalen Erfahrungen sprechen gegen eine Wiedereinführung der Todesstrafe per Volksentscheid: In keinem amerikanischen Staat, in dem die Todesstrafe vor Einführung der Volksgesetzgebung bereits abgeschafft war, wurde sie über einen Volksentscheid wieder eingeführt. In der Schweiz wurde die Todesstrafe ohne Widerstand des Volks abgeschafft und mittels Volksgesetzgebung auch nicht wieder eingeführt.
  • Keinesfalls verwechseln darf man Volksgesetzgebungsverfahren mit Umfragen in der Bevölkerung, die etwa nach besonders grausamen Verbrechen in der Bevölkerung durchgeführt werden und bei denen es oft zu emotionalen Schnellschüssen kommt.

5. Volksabstimmungen auch über Budget- und Steuerfragen!

Das Argument: Volksabstimmungen ja -- aber nicht über Budget- und Steuerfragen.

Manchmal trifft man auf Menschen, die sich nur vorstellen können, dass Bürger über ganz bestimmte Bereiche abstimmen können, aber nicht über wirklich wichtige. So hält sich etwa das hartnäckige Gerücht, es sei gefährlich, Volksabstimmungen über finanzielle Fragen abzuhalten. Stichhaltige Begründungen fehlen aber.

Im Gegenteil Die Befürchtung, die Volksgesetzgebung entziehe der Gemeinschaft die nötigen finanziellen Mittel und mache Steuererhöhungen unmöglich, ist vielfach empirisch widerlegt. So fanden Schweizer Wirtschaftswissenschaftler der Universität St. Gallen heraus, dass direkte Demokratie im Vergleich zur rein repräsentativen zu politisch und ökonomisch effizienteren Lösungen führt. Gerade die Mitbestimmung in Budget- und Steuerfragen führe zu größerem Vertrauen in die öffentliche Verwaltung und dadurch zu einem geringeren Ausmaß an Steuerhinterziehung, sowie insgesamt zu einer höheren Zufriedenheit der Bürger.

6. Volksabstimmung ab 100.000 Unterschriften!

Das Argument: Volksabstimmung ja -- aber bei „nur“ 100.000 Unterschriften droht Gefahr!

Eine andere Gruppe von Skeptikern wittert eine Gefahr durch direkte Demokratie, wenn die Hürde für die Abhaltung einer Volksabstimmung bei „nur“ 100.000 Unterstützer-Unterschriften liegt. Sie meinen, bei 600.000 oder bei 900.000 Unterschriften könnten sie sich eine verpflichtende Volksabstimmung vorstellen -- aber nicht bei 100.000.

Die Zahl 100.000 ist an das Schweizer Modell der direkten Demokratie angelehnt: Bei einer gegenüber Österreich um etwa 1/5 geringeren Einwohnerzahl genügen in der Schweiz für ein Referendum (Volksabstimmung über ein bereits beschlossenes Gesetz) 50.000 Unterschriften, für eine Volksinitiative (Bürgervorschlag für eine Verfassungsänderung) sind 100.000 Unterschriften erforderlich. Diese Anforderungen haben sich in unserem Nachbarland bewährt. Sie führen dort zu etwa 3 bis 4 bundesweiten Abstimmungsterminen pro Jahr.

Jeder, der schon einmal aktiv in die Vorbereitung und Durchführung eines Volksbegehrens eingebunden war, weiß, dass das Erreichen von über 100.000 Unterschriften ein Ziel ist, das für unabhängige Bürger und Gruppen nur mit außerordentlich viel Idealismus und Engagement zu erreichen ist. Würden für eine bindende Volksabstimmung aber 600.000 oder 900.000 Unterschriften erforderlich sein, würde der Sinn einer echten Volksgesetzgebung dadurch aufgehoben: Eine solche Hürde wäre in den allermeisten Fällen nur noch von Großorganisationen und Parteien bzw. mit der Unterstützung großer Medien zu erzielen.

100.000 Unterschriften reichen aus. Besser viermal im Jahr abstimmen als vier Jahre lang zuschauen!

 
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